Ja zum Klimaschutzgesetz

Die Schweiz soll bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Um dieses Ziel zu erreichen, plant der Bund Massnahmen: Der Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen mit klimaschonenden Heizungen soll mit zwei Milliarden Franken unterstützt werden. Betriebe in Industrie und Gewerbe, die innovative Technologien zur klimaschonenden Produktion einsetzen, sollen von Fördermitteln in der Höhe von 1,2 Milliarden Franken profitieren. Das ist der Kern des «Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative)», über das am 18. Juni abgestimmt wird.1

Die Gegenargumente der SVP

Zahlen sind langweilig. Viel amüsanter sind die absurden Aussagen der SVP! Betrachten wir deshalb die Gegenargumente der SVP um zu sehen, ob sie den rosa-grünen Linken wirklich ein Ende setzten, wie es uns von SVP-Parteipräsident Marco Chiesa versprochen wurde.

Explodierende Strompreise

Normalverdiener, Familien, Rentner, Hotels, Restaurants und Gewerbe leiden heute schon unter den hohen Strom- und Energiepreisen. Der realitätsfremde Umbau der Energieversorgung verursacht gemäss einer Studie Kosten von mindestens 387 Milliarden Franken. Das sind über 1’400 Franken zusätzliche Kosten pro Kopf und Jahr! Eine ETH-Studie rechnet zudem mit einer Verdreifachung der Energiekosten: Das bedeutet 6’600 Franken Mehrkosten pro Person im Jahr! Mit diesem Gesetz werden Strom und Energie zum Luxus für Reiche. Die Industrie muss ihre Produktion einschränken oder ins Ausland verlegen. Die Hauseigentümer müssen massiv investieren, die Wohnungsmieten steigen! Gegenargument der SVP

Die erste Studie, welche hier angesprochen wird stammt von der Schweizerischen Bankiervereinigung. Die 387,2 Mrd. Franken beziffern das Gesamtinvestitionsvolumen für das Netto Null Ziel. Hier miteingerechnet sind nicht nur die Gebäudesanierungen, die das Gesetz vorsieht, sondern auch Investitionen im Strassenverkehr, Schifffahrt, Flugverkehr, Landwirtschaft, die Zement-, Chemie-, Metall- und Stahlindustrie welche das Gesetz nicht vorsieht. Die Gesamtkosten der Gebäudesanierungen alleine beziffert die Studie mit gut 2 Milliarden Franken.2 Diese Kosten werden problemlos gedeckt mit der vom Bund bereitgestellten Unterstützung.

Die zweite Studie stammt von der Empa. Laut einem Sprecher der Empa gehe die SVP bei dieser Behauptung von einem Extremszenario aus und reisse die Forschungsergebnisse aus dem Kontext. Dieses Szenario beschreibt eine Versorgung des ganzen Landes mit synthetischen Treibstoffen, welcher ausschliesslich aus PV- und Windanlagen gewonnen wird. Hausbesitzer dürften ihre Öl- und Gasheizungen weiterbetreiben, und Autobesitzer würden auch in Zukunft Diesel, Benzin oder Gas tanken.3 Das ist nicht das Ziel dieses Gesetzes, denn dieses möchte Öl- und Gasheizungen ja gerade ersetzen!

SVP-Parteipräsident Marco Chiesa scheint die Studie jedoch besser zu verstehen als die Verfasser selbst und ist weiterhin überzeugt, dass die 6600 Franken Mehrkosten pro Kopf und Jahr «nicht auszuschliessen» sei. Die SVP behauptet gleichzeitig sogar, dass es zu einem Verbot von fossilen Energieträgern wie Heizöl, Benzin, Diesel und Gas kommen wird, obwohl die Synthetisierung dieser Energieträger explizit im Szenario dieser Studie vorgesehen ist! Entweder haben SVP-Politiker die Auffassungsgabe eines Primarschülers oder, was wohl wahrscheinlicher ist, sie haben die Studie gar nie gelesen.

Mit dem Gesetz werden Strom und Energie also keineswegs zum «Luxus für Reiche», denn sämtliche aufkommende Kosten werden durch die Unterstützung des Bundes gedeckt. Die Zahlen der Studien wurden aus dem Kontext gerissen und widerspiegeln nicht die Realität des Klimaschutzgesetzes. Ich bin mir sicher, das SVP-Hauseigentümer eine Annahme dieses Gesetzes trotzdem als Vorwand sehen werden, um die Mieten zu erhöhen.

Ausstieg ohne Plan / Staatliche Umerziehung

Da der SVP offensichtlich die Argumente ausgehen, haben sie dasselbe Argument zweimal aufgeführt. Ich habe mir die Freiheit genommen, beide Argumente gleichzeitig zu behandeln.

Dieses extreme Gesetz führt zum Verbot der fossilen Energieträger wie Heizöl, Benzin, Diesel und Gas. Und das ohne Plan, wie genug bezahlbarer Strom für die elektrischen Autos, Wärmepumpen etc. produziert werden soll. Der Bundesrat kann im Alleingang extreme Massnahmen verlangen wie teure Haussanierungen, Ersatz funktionierender Öl- und Gasheizungen, das Verbot von Benzin-Autos, Flugreisen oder Konsum von Fleisch. Gegenargument der SVP

Nach dem Bundesamt für Umwelt setzt Das Klimaschutzgesetz den Rahmen für die Klimapolitik der Schweiz. Es legt das Ziel und die Etappen auf dem Weg zu einer klimaneutralen Schweiz bis 2050 fest. Als konkrete Massnahme sieht das Klima- und Innovationsgesetz eine finanzielle Unterstützung für Gebäudesanierungen und innovative Unternehmen vor, jedoch keine Verbote. Für später notwendige Klimaschutzmassnahmen muss der Gesetzesweg beschritten werden, wobei gegen diese Gesetzesänderungen das Referendum ergriffen werden kann.4

Wir sehen also, der Bundesrat kann keineswegs im Alleingang solch «extreme» Massnahmen treffen. Dieses Argument ist klassische SVP-Angstmacherei mit dem einzigen Ziel, ihre Wählerschaft zum Abstimmen zu bewegen. Auch der SVP-Parteipräsident Chiesa behauptet unehrlicherweise:

Dieses Gesetz wird de facto zu einem Verbot von Heizöl, Benzin, Diesel und Gas führen. Autofahren und Heizen wird nur noch mit Strom möglich sein [..] 5 Marco Chiesa, Präsident SVP

Natürlich weiss Chiesa sehr gut, dass diese Aussage so nicht stimmt, denn später gibt er selbst zu:

Das Gesetz legt nicht fest, wie der Weg zu Netto Null genau aussieht. 5 Marco Chiesa, Präsident SVP

Solche Aussagen (als Argumente würde ich das nicht bezeichnen) sind einfach nur unehrlich, geradezu verlogen, wie Chiesa es wohl eher nennen würde.

Verschärfter Strommangel

Wie sollen wir rund 60 Prozent des Schweizer Energiebedarfs durch Strom ersetzen? Laut Berechnungen braucht es dafür zusätzlich 17 Pumpspeicherkraftwerke wie bei der Grande Dixence, rund 5000 Windräder plus 70 Millionen Quadratmeter Solaranlagen. Damit verbunden ist eine Verschandelung von Natur und Landschaft. Weil wir Strom nicht ausreichend speichern können, ist der Strombedarf im Winter mit Sonnen- und Windenergie trotzdem nicht gedeckt. Die aktuelle Krise zeigt auch: Auf Importe ist kein Verlass. Gegenargument der SVP

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass das Gesetz vor allem den Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen mit klimaschonenden Heizungen, also Holzheizungen oder Wärmepumpen, vorsieht. Jeder der schonmal ein Feuer gemacht hat weiss, dass die Verbrennung von Holz normalerweise keinen Strom benötigt. Auch Wärmepumpen verbrauchen nur wenig Energie. Wir reden hier also nicht unbedingt von einem Ersatz von fossiler Energie durch Strom, sondern eine Reduktion des Verbrauchs von fossilen Energieträgern durch Heizungen. Zudem sollen auch Elektroheizungen ersetzt werden. Elektroheizungen sind ineffizient und verbrauchen im Winter rund 10 Prozent des Stroms in der Schweiz.1 Es müssen nicht 60 Prozent des Energiebedarfs ersetzt werden, denn es werden ja nur die Heizungen ersetzt. Doch vertraut nicht mir, ich bin kein Energiewissenschaftler, vertraut dem Bundesamt für Energie, denn die sagen: «Es hat Strom für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen.»6

Die absurd hohe Zahl der zusätzlichen 5000 Windrädern und rund 70 Millionen Quadratmeter Solarpanels kommt aus dem Extremszenario, das in der Empa-Studie beschrieben wurde, in dem die Versorgung des ganzen Landes mit synthetischen Treibstoffen bereitgestellt wird. Natürlich ist dieses Szenario durch die aufwändige Herstellung von Treibstoffen sehr ineffizient, wodurch enorm viel Strom benötigt würde. Offensichtlich ist das aber nicht das Szenario welches wir einschlagen, wir wollen ja Öl- und Gasheizungen und somit den Verbrauch von fossilen Energieträgern gerade reduzieren, und nicht fossile Energieträger ersetzten durch synthetisierte Energieträger!

Und siehe da, da kommt es ja, das Argument der Verschandelung von Natur und Landschaft! Die Partei, die sich für den Bau von immer mehr Strassen und Autobahnen einsetzt. Die Partei, die sich gegen die Einrichtung von Naturschutzparks und Naturschutzzonen wehrt. Die Partei, die gegen ein Klimaschutzgesetz ist und das Gletscherschmelzen, weniger Schnee und zunehmende Naturkatastrophen einfach hinnimmt. Ja, genau diese Partei ist es, die sich auf einmal für die Natur und das Landschaftsbild einsetzen möchte? Woher möchte denn die SVP den Strom beziehen? Aus dem Ausland ja wohl nicht! Von Atomkraftwerken? Passen die eher ins Landschaftsbild? Wo soll man die bauen? Vor dem Haus von Marco Chiesa vieleicht? der würde die Aussicht sicherlich geniessen!

Versorgungssicherheit gefährdet

Der planlose Ausstieg gefährdet unsere Versorgungssicherheit! Wir werden noch mehr abhängig vom Wetter und von Ressourcen aus dem Ausland. Wer eine sichere Energieversorgung will, setzt deshalb zuerst auf den Ausbau verschiedener Energiequellen (ohne Technologieverbote) und kann dann den Ausstieg aus den fossilen Energien zuverlässig angehen. Gegenargument der SVP

Eine Frage an die SVP. Woher bezieht die Schweiz ihre fossilen Energieträger wie Öl, Gas und Benzin? Genau, aus dem Ausland! Wir sind bereits abhängig vom Ausland. Durch die Annahme des Gesetzes werden wir somit weniger abhängig vom Ausland, im Gegensatz zu dem was die SVP hier behauptet.

Und noch einmal. Es geht bei diesem Gesetz um den Ersatz von Öl-, Gas- und Elektroheizungen mit Holzheizungen oder Wärmepumpen. Diese funktionieren unabhängig von der Wetterlage.

Schlussfolgerung

SVP-Wähler scheinen sich sehr über einen kommenden Strommangel zu sorgen, doch an deren Stelle würde ich mir eher um den Gegenargumente-Mangel in ihrer Partei sorgen machen, denn der ist schon jetzt Realität.

Statt ehrliche Argumente vorzulegen, reisst die SVP lieber Studien und Forschungsergebnisse aus dem Kontext. Es ist klar, dass sich Wissenschaftler gegen eine falsche Darstellung ihrer Studien wehren und sich für ein Ja zum Klimaschutz äussern.

Doch für Michael Graber, SVP Nationalrat, ist das zu viel. Es sei zwar grundsätzlich in Ordnung, dass auch die Forschenden ihre Meinung zur anstehenden Abstimmung äussern könnten, «Aber hier handelt es sich um klare Propaganda, die an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten ist.»7

Scheinheilig, weil die kleine Schweiz mit ihrem vergleichsweise kleinen CO₂-Ausstoss den Klimawandel kaum beeinflussen könne.7 Grabers Argumentation ist hier natürlich absolut korrekt. Deshalb, liebe SVP-Wähler, enthaltet eure Stimme beim Klimaschutzgesetz! Ihr als Einzelperson mit eurer vergleichsweise kleinen Stimme könnt das Abstimmungsergebnis wohl kaum beeinflussen!

Referenzen

  1. BAFU. (2023). Klimaschutzgesetz.  2

  2. Schweizerische Bankiervereinigung. (2021). Investitions- und Finanzierungsbedarf für eine klimaneutrale Schweiz bis 2050. 

  3. Blick. (2023). ETH-Institut wirft SVP Irreführung vor. 

  4. BAFU. (2023). KIG-Faktenblatt 5. 

  5. SRF. (2023). Chiesa schwört SVP auf Kampf gegen Klimaschutzgesetz ein.  2

  6. BAFU. (2023). KIG-Faktenblatt 2. 

  7. SRF. (2023). Wissenschaft stellt sich klar hinter das Klimaschutzgesetz.  2