Das wahre Problem der AHV

Die Jungfreisinnigen verlangen die Erhöhung des Rentenalters von Männern und Frauen auf 66 Jahre und eine anschliessende Steigerung zusammen mit der Lebenserwartung. Warum diese Idee absurd ist, und was das wahre Problem der AHV ist, möchte ich nachfolgend mit ein paar Zahlen und Statistiken aufzeigen.

Steigende Lebenserwartung

In einem Punkt haben die Jungfreisinnigen recht: Die Lebenserwartung in der Schweiz steigt. Mit dieser Steigerung sinkt natürlicherweise der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter an der Gesamtbevölkerung (orange). Das bedeutet, im Vergleich zu vor 30 Jahren gibt es etwa 4% weniger Erwerbstätige, dafür entsprechend mehr Pensionäre.1

Dieser Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung beeinflusst zusammen mit anderen Faktoren der Arbeitseinsatz pro Kopf (rot). Dieser fiel um etwa 9% in derselben Zeit.1

Steigende Arbeitsproduktivität

Nun der springende Punkt. In den letzten 30 Jahren stieg auch die Arbeitsproduktivität (blau) um grandiose 44%.1 Das heisst, pro Arbeitsstunde eines Arbeitnehmenden kann im Durschschnitt 44% mehr Gewinn erwirtschaftet werden als vor 30 Jahren.

Zieht man den leicht sinkenden Arbeitseinsatz in Betracht, kann daraus das reale Bruttoinlandprodukt pro Kopf (violett) berechnet werden, welches in den letzten 30 Jahren um stolze 31% gestiegen ist.1 Uns Schweizer geht es also ziemlich gut.

Doch wer ist «uns»? Obwohl das Bruttoinlandprodukt dank der steigenden Arbeitsproduktivität so enorm gestiegen ist, sieht der durchschnittliche Arbeiter nur wenig von diesem Gewinn. Denn der Reallohn, angepasst an den sinkenden Arbeitseinsatz, stieg in derselben Zeit nur gerade mal um 3% (grün).2 Das ist nicht mal ein Zehntel vom Anstieg des Bruttoinlandprodukts!

Lohn und AHV

Vom enormen Wohlstand, den sich die Schweiz in den letzten 30 Jahren erwirtschaften konnte, sieht der Lohnarbeiter also nur sehr wenig. Vom Lohn ist aber auch das Einkommen der AHV abhängig. Wenn der Lohn nun lediglich um 3% steigt, während der Anteil Pensionäre immer grösser wird, haben wir definitiv ein Problem. Das Problem ist aber nicht die steigende Lebenserwartung, sondern der fast gleichbleibende Lohn, während der Wirtschaftsstandort Schweiz Rekordgewinne macht.

Eine Lösung wäre, wie von der Initiative der Jungfreisinnigen vorgeschlagen, die Arbeiterschaft noch länger arbeiten zu lassen. Das wäre natürlich sehr zum Vorteil der Arbeitgeber, die durch die erhöhte Konkurrenz der Arbeitnehmenden im Arbeitsmarkt die Löhne noch weiter drücken können.

Doch ist es gerecht, dass der Lohnarbeiter noch länger arbeiten soll, obwohl doch die Arbeitsproduktivität so enorm steigt? Ist es gerecht, dass dieser nur rund 3% mehr verdient, während Investoren und Aktionäre die restlichen 28% des Gewinns einstecken?

Würde der Lohn zusammen mit der Arbeitsproduktivität steigen, hätte das AHV-Problem durch die erhöhten Einnahmen abhängig vom Lohn erst gar nie existiert. Doch dann würden uns noch glatt die armen Investoren verhungern.

Referenzen

  1. Bundesamt für Statistik. (2023). Reales BIP pro Kopf.  2 3 4

  2. Bundesamt für Statistik. (2023). Entwicklung der Nominallöhne und der Reallöhne.